Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Nehammer

Jüngst wurde in der Presse darüber berichtet, dass Sie in Ihrem sogenannten “Österreichplan”, den Sie an diesem Freitag in Wels präsentieren, unter anderem das Thema “Gendern” ansprechen und in weiterer Folge nach bayerischem Vorbild in der Verwaltung und an Universitäten das Gendern mit allen anderen Schreibweisen außer der ausgeschriebenen männlichen und weiblichen Form untersagen wollen. Diese “Grundsatzrede” markiert wohl den Beginn des Nationalratswahlkampfes.

Grundsätzlich gibt es gute Argumente für das Gendern in verschiedenen Schreibweisen. Zum Beispiel die Sichtbarmachung von Frauen in der Gesellschaft, aber auch die von rechts außen gerne als unterdrückt dargestellte Meinungsfreiheit und die angeblich dagegen agierende sogenannte “Sprachpolizei”. Außerdem werden in der binären Ausdrucksweise Personen außerhalb des binären Genderspektrums ausgeschlossen. Die oft angeführte Sperrigkeit in der Aussprache des Binnen-Is, des Sternchens oder des Doppelpunktes durch den sogenannten “Glottisschlag” unterscheidet sich nicht vom Aufwand bei der Aussprache des Wortes “The-ater”. Die Sperrigkeit der zweigeschlechtlichen, ausgeschriebenen Version verlängert jedoch sehr wohl jeden Text.

Nun hat aber das Theater um die Wahlen erneut begonnen und es wird notwendig, mit reißerischen und polarisierenden Themen auf Stimmenfang zu gehen. Wie bereits Beate Hausbichler in ihrer Kolumne im Standard vom 13. März 2023 schrieb, reden vor allem diejenigen gerne über die gendergerechte Sprache, die diese überflüssig finden – und um zu betonen, dass über nichts anderes geredet wird.

Also reden wir: Da wäre zunächst der Gender Pay Gap mit 35,5%, der unter anderem daraus resultierende Gender Pension Gap (Equal Pension Day 2023 war am 4. August) und der überwältigende Anteil an der unbezahlten Care-Arbeit. Im Kunst- und Kulturbereich sind die Zahlen noch dramatischer als im ohnehin schwindelerregenden Gesamtdurchschnitt: Hier liegen die Frauen im Schnitt 48,4% hinter den Männern zurück, außerdem wird auch in der Kulturszene ein überwiegender Teil unbezahlter Arbeit von Frauen übernommen.

Dazu kommen die Grausamkeiten, die Frauen in einer misogynen Gesellschaft sonst noch so zu ertragen haben, und zwar auf dem ganzen Spektrum: Alltagsdiskriminierungen, sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz, psychische und physische Gewalt an Frauen in der Öffentlichkeit ebenso wie im privaten Umfeld und die Femizide, deren Zahlen sich in den letzten Jahren auf einem Rekordniveau gehalten haben (2023 gab es 27 mutmaßliche Femizide in Österreich).

Um all diese grundlegenden Missstände zu beheben, sind eine zukunftsweisende und nachhaltige Politik der Gleichberechtigung und Gleichstellung sowie grundlegende und weitreichende Maßnahmen in Gewaltschutz und Diskriminierungsprävention unerlässlich.

Ob diese in Ihrem “Österreichplan” vorkommen, sei zu diesem Zeitpunkt noch dahingestellt. Nehmen wir Sie, basierend auf Ihren Äußerungen auf X (vormals Twitter) zum letzten Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November beim Wort, kämpft die Bundesregierung “gegen jede Form der Gewalt an Frauen”. Laut Ihrem X (Twitter-)Account liegen Ihnen jedoch unter anderem auch die Lehrer/innen (10.12.16, 31.8.17), Kleinspender/innen und Steuerzahler/innen (28.8.17), Soldat/innen (25.1.17), ältere Arbeitnehmer/innen (5.1.18), Patient/innen (15.7.18) und natürlich vor allem die Wähler/innen (27.9.17) am Herzen. Sie wünschten den Kandidat/innen (26.6.22) bei der Wahl des “österreichischen Staatsoberhauptes” alles Gute und feierten das Jubiläum des Bundeskanzleramtes [sic!] mit mehreren ehemaligen Regierungschef/innen (6.12.23).

Wir von der ≠igfem – Interessensgemeinschaft Feministischer Autorinnen wünschen uns jedenfalls eine:n Bundeskanzler:in und eine Bundesregierung, die die wahren Probleme anpackt und nicht mit Ablenkungsmanövern auf Stimmenfang geht.

Mit freundlichen Grüßen
Gerlinde Hacker
Präsidentin
≠igfem – Interessensgemeinschaft feministische Autorinnen

Sehr geehrter Herr Bürgermeister

Vielen Dank für Ihre Zusendung vom 20. November des letzten Jahres. Sie betonen, dass Bildung eine Herzensangelegenheit der Sozialdemokratie ist. Das freut uns, denn Bildung ist auch eine Herzensangelegenheit der ≠igfem – Interessensgemeinschaft feministische Autorinnen, insbesondere die Bildungschancen und Bildungsgerechtigkeit aller Menschen unabhängig von Geschlecht. Daher möchten wir Ihnen unser Projekt vorstellen, das genau jene Ziele und Visionen in den Blick nimmt: die Erarbeitung einer feministischen Leseliste.

Derzeitige Lektüreempfehlungslisten für den Schulunterricht an österreichischen Schulen bestehen zu 88% bis 100% aus Werken männlicher Autoren. Feministische Narrative und eine differenzierte Auseinandersetzung mit unterschiedlichen weiblichen Lebensentwürfen und Identitäten über die Jahrhunderte bis in die Gegenwart kommen darin so gut wie nicht vor. Tatsächlich ist es für Schüler*innen hierzulande ohne Weiteres möglich, zu maturieren, ohne im Unterricht je ein von einer Frau verfasstes Werk gelesen zu haben.

Dabei ist die Schule einer der wichtigsten Orte der Sozialisation – auch im Sinne einer gesamt-gesellschaftlichen Sozialisation durch Lesen. Geschichten erzählen vor allem jungen Lesenden, was sie sein und werden können in dieser Welt. Ihr Einfluss ist kaum zu überschätzen.

Aus diesem Grund ist es höchste Zeit, die Kanonisierung und Literaturgeschichtsschreibung für den Schulunterricht neu zu diskutieren und Werke in die Lektüreempfehlungen aufzunehmen, welche moderne, sinnvolle Rollenbilder für Mädchen und Frauen anbieten und historische Unterdrückungsmechanismen aufzeigen. Auch für die Buben und heranwachsenden Männer ist eine Aufarbeitung dieser förderlich, da auch sie in veralteten, patriarchalen und ungerechten Strukturen aufwachsen und ihr Einsatz für eine gerechtere Welt ebenso essentiell ist, wie Selbstbestimmung und Selbstbewusstsein von Mädchen.

Aus diesen Überlegungen heraus erarbeiten wir von der ≠igfem – Interessensgemeinschaft feministischer Autorinnen gemeinsam mit einem Expertinnengremium eine Leseliste an Werken von Autorinnen, die an die Bildungsdirektionen der einzelnen Bundesländer und die Schulen selbst übermittelt werden soll.

Mit dabei sind bereits namhafte Expertinnen aus Literatur und Bildung wie Daniela Strigl, Susanne Hochreiter, Heidi Lexe, die Buchhandlung ChickLit, Katja Gasser, Evelyne Polt-Heinzl, die Büchereien Wien, Kirstin Breitenfellner, Christa Gürtler uvm. Nicht zuletzt streben wir eine Kooperation mit dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung an, zu dessen Grundsätzen auch Gleichstellung und Diversität zählen, welche allerdings im Literaturkanon der verschiedenen Schulen bis zur Oberstufe nicht real umgesetzt werden.

Sie haben es in Ihrem Brief bereits geschrieben: Bildungsgerechtigkeit für alle Menschen ist eines Ihrer höchsten Ziele. Das teilen wir und möchte Sie deshalb bitten, uns bei diesem Projekt durch Förderung oder bei der Verbreitung der Leselisten an Schulen zu unterstützen.

Mit freundlichen Grüßen
Gerlinde Hacker
≠igfem

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Ludwig, sehr geehrtes Team von „Eine STADT. Ein BUCH.“

Wir freuen uns, dass mit der Aktion “Eine STADT. Ein BUCH.” das Lesen und die Literatur in Wien gefördert wird. Vor allem für junge Leser*innen ist die Aktion eine großartige Gelegenheit, um an aktuelle Veröffentlichungen und Klassiker herangeführt zu werden. Leider ist auch dieses Jahr wieder keine weibliche Autorin ausgewählt worden. Von insgesamt 21 veröffentlichten Monografien sind 15 von Männern geschrieben, aber nur 6 von Frauen – weniger als ein Viertel. In der Kurzgeschichtensammlung mit Erzählungen von 29 Autor*innen aus dem Jahr 2022 machen Sie – bzw. die Jury des echo medienhaus’- ja sogar selbst vor, wie es geht: Hier finden sich von 29 Texten sogar 15 Frauen. Wieso stehen die Frauen also bei den Monografien noch immer hintenan? Der Fehler liegt nicht (nur) bei den Entscheider*innen – wer im echo medienhaus verantwortlich ist, wird leider nicht offengelegt – sondern auch im System: Studien (Schuchter 2021, Seifert 2021, etc.) zeigen, dass Männer Männer rezensieren. Die weibliche Literaturproduktion erhält weniger öffentliche Präsenz als die der Männer. Texte von Autorinnen werden deutlich schlechter bewertet und ihre Themen als irrelevant dargestellt. Autorinnen werden vom Literaturkanon ausgeschlossen oder als Ausnahmeerscheinungen behandelt. Nun müsste es doch aber in Ihrem Interesse und vor allem in Ihrer Verantwortung liegen, dies zu ändern. Ausreichend relevante Autorinnen gibt es ja in Österreich, wie die Veröffentlichung von 2020 zeigt. In der Begründung für die Auswahl von “Der Vorleser” als das diesjährige Buch erfahren wir, das Buch „Der Vorleser“ sei für „Eine STADT. Ein BUCH.“ ein Glücksfall, gehe es darin doch um die Bedeutung des Lesens als wichtigste Kulturtechnik. “Wir wollen im Rahmen der Aktion auch auf die leider noch immer hohen Lesedefizite innerhalb der österreichischen Bevölkerung sowie die bestehenden Angebote für Betroffene – etwa bei den Wiener Volkshochschulen – hinweisen.” Ein ehrbares Ziel. Leider weisen Sie mit der Auswahl auch auf die weiterhin bestehenden Defizite in Bezug auf die Förderung der Literaturproduktion und -rezeption von Frauen hin. Wir, die IG feministische Autorinnen ≠igfem, fordern eine feministische Agenda in Literatur, Politik und Öffentlichkeit! Wir kämpfen für die Gleichberechtigung von Frauen und erwarten diesbezüglich Ihre ihre Unterstützung.

Mit freundlichen Grüßen
Gerlinde Hacker
Dorothea Pointner
≠igfem

Antwort von Mag. (FH) Judith Haunold auf: Betreff: „Gierig auf den Galgen“ von F. Klenk

Antwort von Mag. (FH) Judith Haunold auf: Betreff: „Gierig auf den Galgen“ von F. Klenk, Falter 37/23
“Mit Enttäuschung habe ich den Essay von Florian Klenk zum Fall Teichmeister gelesen. Ausführlich widmet sich Herr Klenk den Protesten, skizziert die Lynchjustiz, prangert den digitalen Vigilantismus an und wundert sich tatsächlich, dass Frauen zu so drastischen Maßnahmen greifen. Dabei hätte ein Blick in die Statistik genügt, um von der Irritation zur Erkenntnis zu gelangen.
Im Bericht „Zahlen und Fakten zu sexueller Gewalt gegen Frauen“ mit Stand März 2021 der Frauenberatungsstellen steht Folgendes: „8,8 % der Frauen, die eine Vergewaltigung erlebten, erstatten Anzeige“ (Seite 5). „Die höchste Verurteilungsquote findet sich im Jahr 1995 mit 25,3%. Seither ist dieser Wert im Sinken. 2019 wurden nur 10,34% der Täter nach einer Anzeige auch verurteilt“ (Seite 6). Anschaulich dargestellt werden die niedrigen Verurteilungsraten auch im Bericht „Sexuelle Gewalt an Frauen: einige Zahlen“ vom Bund Autonome Frauenberatungsstellen bei sexueller Gewalt Österreich (https://wwww.sexuellegewalt.at/informieren/zahlen-fakten/) auf Seite 5. 2019 waren von 912 Anzeigen nur 98 erfolgreich. Angesichts dieser Realität sollte ein schwindendes Vertrauen in die Justiz niemanden mehr wundern. Zudem ist das Strafausmaß bei Delikten gerade Kindern gegenüber lächerlich gering. Ein Opfer von sexueller Gewalt und Missbrauch leidet lebenslänglich an den Folgen. Warum sollten Täter also nicht auch lebenslänglich für ihre Taten büßen?
Nur mit einer Aussage hat Herr Klenk recht: Der Staat ist gefordert. Das Strafrecht schützt die Täter (im Zweifel für den Angeklagten) und lässt die Opfer im Stich. Die Justiz folgt diesem Irrtum des Patriarchats. Herr Klenk sollte sich mit den Ursachen des Zorns auseinandersetzen, statt das streng formalisierte System hochzuloben und in dieser Sache von Fairness zu sprechen. Bei dieser niedrigen Verurteilungsrate ist das Wort Fairness garantiert nicht angebracht.” Mag. (FH) Judith Haunold

Offener Brief an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien

Sehr geehrte Frau Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab, anlässlich des Equal Pension Day 2023 am 4. August müssen wir einmal mehr auf die eklatante Benachteiligung von Frauen in unserer Gesellschaft hinweisen. An diesem Tag haben Männer im laufenden Jahr bereits so viel Pension erhalten, wie Frauen für das ganze Jahr zugestanden wird. Im Vergleich zu 2022 bedeutet der Equal Pension Day 2023 eine Verbesserung um einen (!) Tag. In diesem Tempo werden bei gleichbleibendem Pensionsalter erst jene Frauen die gleiche Pensionshöhe erhalten, die in rund 80 Jahren geboren werden! Der folgende Hinweis stammt aus dem Informationsblatt des Bundesministeriums zum Equal Pension Day: “Es [das Gender Pension Gap [sic!]] ist kein Maß für Wohlstand (bzw. Armut) oder Diskriminierung, sondern Gradmesser von persönlicher ökonomischer Autonomie durch die Pensionsleistung”. Unter den herrschenden Bedingungen ist persönliche ökonomische Autonomie für Frauen unmöglich zu erreichen. Und wirtschaftliche Abhängigkeiten resultieren in Diskriminierung! Die Durchrechnungszeiträume für die Pension sind an einem Männer-Erwerbsleben ausgerichtet. Frauen arbeiten aufgrund fehlender Betreuungsmöglichkeiten und dem noch immer bestehenden Gender Pay Gap viel häufiger in Teilzeit, womit sie ohnehin schon die Mehrheit der unbezahlten Care-Arbeit leisten, was einen bestehenden, zutiefst diskriminierenden Rollenzwang immer noch mehr verstärkt. Hinzu kommt, dass Berufe, in denen mehr Frauen tätig sind, auch schlechter bezahlt sind. Und dann sind Frauen auch noch in der Pension doppelt bestraft, da sie um etwa die Hälfte (!) weniger als Männer erhalten. In der Literaturbranche sieht es besonders ernst aus: Laut dem Rechnungshofbericht 2020 liegt der unbereinigte Gender Wage Gap im Bereich “Kreative, künstlerische und unterhaltende Tätigkeiten” mit 49,6% sogar noch deutlich über dem Gesamtdurchschnitt von 36,4%. Die Maßnahmen, die von der Bundesregierung zur Verbesserung der Situation gesetzt wurden, beinhalten unter anderem die “Erhöhung des Pensionsalters für Frauen” – Frauen müssen also länger arbeiten, um nachher noch immer weniger zu bekommen. “Verbesserung bei freiwilliger Versicherung (insbesondere Pflege)” – Frauen, die also ausreichend Geld haben, um mehr einzuzahlen, bekommen nachher zwar mehr als andere, aber immer noch weniger als Männer. “Mit der Einführung der Pensionsboni bei 30 bzw. 40 Jahren von Beitragszeiten aufgrund einer Erwerbsarbeit wurde insbesondere langzeitversicherten Frauen und Männern in Niedriglohnsektoren bzw. bei Teilzeitarbeit eine höhere Pension” [sic! Anm.: Hier bricht der Satz ab] – Diese Maßnahme geht an der Realität vorbei, nämlich dass die sogenannten “Niedriglohnsektoren” eben jene sind, in denen hauptsächlich Frauen arbeiten, also solche, in denen z.B. für Pflege Angehöriger oder behinderter Kinder (siehe Punkt “freiwillige Versicherung”) die Anstellungszeiten häufig unter- oder abgebrochen werden, also eine Langzeitversicherung gar nicht zustande kommt. Es profitieren einmal mehr die Männer, die lange Zeit im “Niedriglohnsektor” tätig sind, und die Frauen gehen leer aus. Wir können uns die maßlose Ungerechtigkeit der Situation nur so erklären, dass die Auswirkungen der Maßnahmen politisch gewollt sind. Es ist völlig unbegreiflich, warum die Regierung und die Sozialpartner der massiven Verschlechterung der Situation für Frauen zugestimmt haben. Es war schließlich absehbar, dass der Großteil der Frauen in ihrer Pension unter die Armutsgrenze fällt. Was in der gesamten Pensionsdebatte fehlt, ist ein feministisches Narrativ, das die Lebensrealitäten der Hälfte der Bevölkerung einkalkuliert. Es mangelt uns im 21. Jahrhundert doch tatsächlich noch immer an einer feministischen Agenda in Politik und Öffentlichkeit. Dabei ist Gleichberechtigung ein Menschenrecht! Wir fordern Sie daher auf, diese untragbare Situation aufzuheben und Frauen eine gleichberechtigte, an ihre Lebenssituation angepasste Teilhabe zu ermöglichen. Wir brauchen eine Pensionsreform, die ihren Namen verdient! Und wir, die IG feministische Autorinnen, brauchen Ihre (finanzielle) Unterstützung als feministische Organisation um Gleichberechtigung zu erreichen.

Mit freundlichen Grüßen
Gerlinde Hacker
Dorothea Pointner
≠igfem IG feministische Autorinnen

Sehr geehrte Frau Mag.a Staatssekretärin Mayer

Die ≠igfem kämpft seit mehr als vier Jahren professionell für finanzielle und repräsentative Geschlechtergerechtigkeit im Literaturbetrieb. Wir bieten bereits jetzt, mit wenigen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, ein umfangreiches Programm. Unsere vielfältigen Veranstaltungen und Initiativen umfassen Schreibgruppen mit 120 Terminen im Jahr, eine Theoriegruppe zur feministischen Sprach- und Literaturwissenschaft, Lesekreise zu feministischen Büchern, unterschiedlichste Vernetzungs- und Kooperationsgruppen, zwei EU-Projekte (das jüngste beinhaltet unter anderem Fördermittel für eine unabhängige Studie zu Arbeitsbedingungen und der generellen Lage von Autorinnen), Lesungen feministischer Autorinnen, diverse Workshops, Ausschreibungen, mehrere Publikationen, eine aktualisierte feministische Leseliste für SchülerInnen, ein Projekt zur Erforschung neuer digitaler Techniken und Entwicklungen und ihre Nutzung für und Auswirkungen auf den Literaturbetrieb, das MeToo-Monitoring zur Dokumentation von sexistischen Erfahrungen und Übergriffen im Literaturbetrieb, aktive Pressearbeit für gesellschaftliche Wahrnehmung zur Ungleichberechtigung sowie Schulungen und Austauschmöglichkeiten für Expertinnen im Literaturbetrieb. All diese Maßnahmen und Projekte zielen darauf ab, mehr Gleichberechtigung im Literaturbetrieb zu erzielen. Doch um noch mehr bewirken zu können – und vor allem die laufend geleistete Arbeit endlich fair zu entlohnen – benötigen wir dringend zusätzliche finanzielle Ressourcen. Trotz des generellen Problems fehlender Daten zur Benachteiligung von Frauen im Literaturbetrieb, konnten wir aus dem Rechnungshofbericht von 2020 eine erschreckende Erkenntnis ziehen: Der unbereinigte Gender Wage Gap im Bereich “Kreative, künstlerische und unterhaltende Tätigkeiten” liegt mit 49,6% sogar noch deutlich über dem Gesamtdurchschnitt von 36,4%. Diese Zahlen zeigen einmal mehr die dringende Notwendigkeit für monetäre und inhaltliche Förderung von Frauen, insbesondere in der Literatur. Eine feministische Schwerpunktsetzung in der Budgetverteilung ist essentiell, um die Benachteiligungen auszuhebeln und für Gleichberechtigung zu sorgen. Der in naher Zukunft anstehende Gender Report des BMKÖS ist nur ein weiteres Beispiel des schwerfälligen Versuchs, der Lage Herr (vielmehr Frau) zu werden. Obwohl wir wertschätzen, dass wir auf Einladung des Bundesministeriums mit unserer Expertise in die Entwicklung der Fragebögen durch OGM research & communication GmbH eingebunden wurden und Feedback zum Testfragebogen geben durften, der die Grundlage der “große[n] Befragung der Kunst- und Kulturinstitutionen in ganz Österreich” werden soll, mussten wir feststellen, dass die Fragestellungen an den Herausforderungen und Hindernissen vorbeigingen, mit denen Frauen in der Kunst- und Literaturszene konfrontiert sind. Mit den gestellten Fragen können die Lebensrealitäten der Künstlerinnen und Autorinnen nicht abgebildet werden, es werden schlicht die falschen Fragen gestellt, um neue Antworten zu erhalten: Auf unbezahlte und unterbezahlte Arbeit von Frauen im Kulturbereich wurde überhaupt nicht eingegangen. Strukturen im Kunst- und Kulturbetrieb, die Arbeitszeiten außerhalb der klassischen Bürozeiten vorgeben, erfordern selbstverständlich auch andere Betreuungsmöglichkeiten. Themen wie Diskriminierungsprävention und speziell auf Frauen zugeschnittene Bildungsangebote wurden nicht angeschnitten. Es braucht für repräsentative Ergebnisse zu diesen Themen schlicht einen neuen Zugang zu den Fragestellungen. Unser Feedback wurde leider nur zur Kenntnis genommen und unseres Wissens nicht in den Fragebogen einbezogen. Wir dürfen in Anbetracht Ihrer Position davon ausgehen, dass Sie sich der nach wie vor herrschenden Ungleichheit bewusst und an einer Gleichberechtigung zwischen Künstlerinnen und Künstlern interessiert sind. Dem gewaltigen strukturellen Gefälle zwischen un- oder unterbezahlt arbeitenden, selbstorganisierten Künstlerinnenverbänden, wie unserem, und den zahlreichen und üppig geförderten Institutionen unter (überwiegend) männlicher Leitung, können Sie, sehr geehrte Frau Staatssekretärin, entgegenwirken. Es ist an der Zeit, dass Autorinnen die gebührende Beachtung und Wertschätzung erfahren, die für ihre männlichen Kollegen selbstverständlich sind. Warum werden Künstlerinnen und Autorinnen nicht entsprechend gefördert? Wieso erhält die IG feministische Autorinnen im Vergleich zu alteingesessenen männlich geleiteten Institutionen um so viel weniger Förderungen? Weshalb erhalten Autorinnen und Künstlerinnen in Österreich nicht mehr Geltung und Würdigung? In inzwischen veralteten (2008 und 2012) Studien war die Benachteiligung von Literatinnen und Künstlerinnen bereits abzusehen. Bis heute wurde noch viel zu wenig getan, um strukturelle Förderungen von Literatinnen und Künstlerinnen zu finanzieren. Umso bitterer, dass nicht einmal die IG feministische Autorinnen ausreichend finanziell unterstützt wird! Um die inhaltliche Unterstützung voranzutreiben, mangelt es an dedizierten Räumen für Autorinnen und Schriftstellerinnen, die speziell für Vernetzung, Austausch, Diskussion und kreative Arbeit genutzt werden können. Zu diesem Zweck regen wir die Errichtung eines feministischen Literaturmuseums an, in dem die unzähligen fantastischen österreichischen (Bachmann! Jelinek! uvm.) und internationalen Autorinnen mit Ausstellungen und Veranstaltungen aus feministischem Blickwinkel gewürdigt werden (anders als herkömmliche Ausstellungen, in denen die männliche Perspektive der Ausstellungsmacher klar zutage tritt). In diesem Museum könnte auch die IG feministische Autorinnen mit einem Büro verankert sein und mit ausreichender Förderung ein noch umfangreicheres Programm sowie diverse Forschungsprojekte umsetzen. Darüber hinaus mangelt es an dezidierten Auftrittsmöglichkeiten, auch diese könnten in einem solchen Zentrum der feministischen Literatur mit einem Veranstaltungssaal mit Bühne geboten werden. Über diese Institution könnte dann auch eine umfassende Förderung von Rezensionen und Rezeption der Werke feministischer Autorinnen abgewickelt werden, um die Sichtbarkeit der ja in großer Vielfalt vorhandenen Literaturproduktion von Frauen zu erhöhen. Ein solches Zentrum könnte Österreich an die Spitze feministischer Literaturinitiativen stellen. Wir haben in Österreich unter Ihrer Leitung die einmalige Chance im Bereich der feministischen Literaturförderung eine Pionierinnenrolle einzunehmen und uns international im Kampf um Gleichstellung zu positionieren. Wir appellieren an Ihr Engagement für Gleichberechtigung und eine zukunftsweisende und nachhaltige Kulturpolitik: Lassen Sie diese Gelegenheit nicht verstreichen! Erkennen Sie die vorhandenen Ungerechtigkeiten an und wirken Sie ihnen entschieden entgegen. Wir alle werden mit einer vielfältigeren und reichhaltigeren Literaturszene belohnt werden.

Mit freundlichen Grüßen
Gerlinde Hacker, Dorothea Pointner

Nie wieder Femizide

Brief an die Frauenministerin: Nie wieder Femizide! Mehr Frauenrechte!

Die Frauenministerin hat verlautbaren lassen, es gebe “keine Maßnahme” zur Verhinderung von Femiziden. Das ist unrichtig! Feminismus hilft! Gleichberechtigung von Frauen ist eine unabdingbare Voraussetzung, um Gewalt zu verhindern.

Im Jahr 2021 wurden in Österreich 30 Frauen ermordet. Damit ist Österreich das einzige EU-Land, in dem mehr Frauen als Männer Gewaltverbrechen zum Opfer fallen.

Täter bei Frauenmorden sind vorwiegend Männer, fast immer gibt es ein Naheverhältnis zwischen Opfer und Täter, fast immer wird Gewalt gegen Frauen im familiären Umfeld verübt und das wissen wir seit Jahrzehnten. Es ist Zeit, etwas zu tun, Frauenministerin Susanne Raab und Innenminister Karl Nehammer.
Schöne Worte helfen nicht: Geld, Macht, Gewicht und Ressourcen für Gewaltschutzeinrichtungen und deren Opfer.

Die IG feministische Autorinnen fordert eine feministische Agenda in Literatur, Politik und Öffentlichkeit. Es braucht (unter anderem) ein feministisches Narrativ, eine Akzeptanz und Wertschätzung der Lebensrealitäten und Perspektiven von Frauen. Es braucht Chancengleichheit und Gerechtigkeit für Frauen.

Nie wieder Femizide!

Stärken von Frauen- und Mütterrechten! und nicht Ausweitung von Männer/Vaterrechten!

Protest hilft, schreiben Sie an: MMag.a Dr.in Susanne Raab; kurz: Frauenministerin, Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration im Bundeskanzleramt: susanne.raab@bka.gv.at 
Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc: ministerbuero@bmi.gv.at
Bundesministerin für Justiz Dr.in Alma Zadić: minister.justiz@bmj.gv.at

Offener Brief an Bundesministerin Susanne Raab Feminismus braucht Förderung! Antwort zur Förderabsage(n)

Sehr geehrte Frau Bundesministerin MMag.a Dr.in Susanne Raab, Österreichs unrühmliche Vorreiterstellung in der europaweiten Statistik der Femizide bedeutet eine äußerste Zuspitzung patriarchaler Gewalt in unserem Land. Wir sind ein feministischer Literaturverein mit dem Ziel, Frauen zu stärken und wundern uns wie viele andere Frauen unterstützende Organisationen/Medien über Förderabsagen seitens des Bundesministeriums für Frauen, Familien, Integration und Medien. Ihre Entscheidung, die budgetäre Schwerpunktsetzung im Bereich Frauenprojektförderung auf die „Aufrechterhaltung des Gewaltschutzes“, sowie ein „ganzheitliches und kostenloses Beratungs- und Begleitangebot für Frauen und Mädchen in schwierigen Lebenssituationen“ zu legen, deckt zwar eine wichtige Aufgabe ab. Wir vermissen jedoch Ihr strukturelles Verständnis von Gewalt und was Gewaltschutz in einer patriarchal geprägten Gesellschaft wie der unseren bedeutet. Dem für Frauen und gesamtgesellschaftlich unerträglichen Zustand muss mit Grundlegendem begegnet werden. Es ist Zeit, in der Frauenpolitik etwas zu ändern. Dieses gesamtgesellschaftliche Problem muss grundlegend gedacht werden. Das Patriarchat ist zwar von vorgestern, aber es hat schon Jahrtausende seine Wirkung getan. Es ist zu spät erst dort anzusetzen, wo vulnerablen Personen, worunter Frauen leider fallen bereits Gewalt angetan wurde. Effektiver Gewaltschutz erfordert Prävention und Prävention bedeutet: den Bedingungen von Gewalt auf den Grund zu gehen – der Ungleichverteilung von Macht – und daraus zu handeln. Nur mit dieser feministischen Haltung können in unseren Augen diese Strukturen überwunden werden. Es geht uns darum, dass Sie verstehen, Frau Ministerin: Das Vorhandene ist nicht neutral, vielmehr werden medial permanent unrealistische Frauenbilder und frauenfeindliche Inhalte (re)produziert. Wenn Sie diese Gewalt hervorbringenden Strukturen durch Untätig-Bleiben stützen, ist das reine Bereitstellen von Beratungsangeboten für die Opfer dieser Gewalt nahezu zynisch und bei weitem nicht ausreichend. Jede Untätigkeit ist ein Befürworten dieses für Frauen oft todbringenden Zustandes. Die psycho-physische Gewalt, welche Frauen in Österreich erfahren, beginnt wo Personen keine Stimme „haben“. Die Frage, wer darf sprechen, wessen Geschichte wird erzählt und wer wird dadurch überhaupt „wahr“genommen und wie, ist eine Machtfrage. Sprache ist also ein machtvolles Instrument. „Weibliche” Perspektiven, wie immer sie auch aussehen, werden permanent medial unsicht- und unhörbar gemacht. Dieses Verdrängt-Werden aus dem Bewusstsein Aller (auch aus dem eigenen) ist (strukturelle) Gewalt und bedeutet höchste Gefahr für Frauen. Zum Beispiel, wenn Femizide – wie so häufig in Medien – als „Beziehungsdramen“ bezeichnet werden. Das normalisiert männliche Gewalt, schont die Täter und verhindert Empathie mit Frauen. Mit der Konsequenz, dass die Verantwortung für Gewalt noch immer eher bei den Opfern statt den Tätern gesucht wird. Viel zu häufig mit tödlichen Folgen. Aber: Die Bedingungen für Empathie können (auch) hergestellt werden, weibliche Perspektiven können sicht- und hörbar gemacht werden – mit feministischen Narrativen. In Form von Literatur zum Beispiel. Eine Geschichte erzählt mir, was ich sein und werden kann in der Welt. Literatur hat die einzigartige Fähigkeit verdrängte Geschichten zu erzählen, neue Vorstellungen von (Frauen)leben zu erschaffen und die Nähe zu erzeugen, die Emphathie erfordert. Es gilt über unsere eigene Perspektive hinausblicken und zu versuchen zu verstehen, was jemand anderes erlebt, fühlt und denkt. Zu häufig wird einer Literatur der Vorrang gegeben, die immer die gleiche (patriarchale) Geschichte erzählt. Zu häufig wird die Sprache – gesellschaftlich geprägt – unreflektiert übernommen. Eine solche Literatur kann nicht über das Vorhandene hinausweisen. Es gilt den Blick zu weiten auf etwas, was noch nicht ist, jedoch sein könnte. Zum Beispiel eine Gesellschaft, in der eine Frau nicht um ihr Leben oder ihre körperliche Unversehrtheit bangen muss, wenn sie sich von ihrem Partner trennt, weil dieser Eifersucht und Besitzanspruch mit vermeintlicher Liebe legitimiert. Eine Gesellschaft, in der Frauen andere Lebensentwürfe umsetzen können und glücklich sind, statt marginalisiert zu werden. Eine Gesellschaft, die sich nicht ausschließlich an der patriarchalen Norm ausrichtet. Was wir hierfür brauchen, sind feministische Narrative in allen Lebensbereichen, und genau an dieser Stelle kommt feministischer Literatur eine tragende Rolle zu. Eine Gesellschaft, die männliche Gewalt hervorbringt, kann nicht von heute auf morgen umgekrempelt werden. Aber jede Anstrengung ist notwendig, um weitere Gewalt an Frauen zu verhindern. Und das fängt mit einer Sprache an, welche die Lebensrealitäten und -möglichkeiten von Frauen fokussiert und reflektiert, einer feministischen Sprache, einem Narrativ der Gleichberechtigung. Beratungsstellen alleine werden es wohl nicht richten. Wir brauchen feministische Erzählungen in Kinderbüchern, in der Schulliteratur, in Zeitungen, in Buchhandlungen und – Bücher schreiben sich ja nicht von selbst – auf Preisverleihungen und in der Kulturförderung. Literatur ist intensive Gesellschaftsarbeit und jene, welche uns all die unterschiedlichen Geschichten liefern, müssen auch davon leben. Wir als IG Feministische Autorinnen, möchten hierzu unseren Beitrag leisten und das Bundesministerium für Frauen, Familien, Integration und Medien sollte ebenso seine Verantwortung wahrnehmen, wenn ihm eine gewaltfreie Gesellschaft wahrhaftig am Herzen liegt. Deshalb, Frau Ministerin, verschließen Sie nicht die Augen vor den Problemen und gehen Sie den Schritt in die Prävention! Kommen Sie ihrer Auffassung von Frauenpolitik als „Querschnittmaterie“ nach. Setzen Sie sich mit feministisch kompetenten Organisationen an einen Tisch und unterstützen Sie Einrichtungen, die sich um ein feministisches Narrativ bemühen.

Mit freundlichen Grüßen
Gerlinde Hacker
Dorothea Pointner
≠igfem IG feministische Autorinnen