Sehr geehrter Herr Bürgermeister Ludwig, sehr geehrtes Team von „Eine STADT. Ein BUCH.“

Wir freuen uns, dass mit der Aktion “Eine STADT. Ein BUCH.” das Lesen und die Literatur in Wien gefördert wird. Vor allem für junge Leser*innen ist die Aktion eine großartige Gelegenheit, um an aktuelle Veröffentlichungen und Klassiker herangeführt zu werden. Leider ist auch dieses Jahr wieder keine weibliche Autorin ausgewählt worden. Von insgesamt 21 veröffentlichten Monografien sind 15 von Männern geschrieben, aber nur 6 von Frauen – weniger als ein Viertel. In der Kurzgeschichtensammlung mit Erzählungen von 29 Autor*innen aus dem Jahr 2022 machen Sie – bzw. die Jury des echo medienhaus’- ja sogar selbst vor, wie es geht: Hier finden sich von 29 Texten sogar 15 Frauen. Wieso stehen die Frauen also bei den Monografien noch immer hintenan? Der Fehler liegt nicht (nur) bei den Entscheider*innen – wer im echo medienhaus verantwortlich ist, wird leider nicht offengelegt – sondern auch im System: Studien (Schuchter 2021, Seifert 2021, etc.) zeigen, dass Männer Männer rezensieren. Die weibliche Literaturproduktion erhält weniger öffentliche Präsenz als die der Männer. Texte von Autorinnen werden deutlich schlechter bewertet und ihre Themen als irrelevant dargestellt. Autorinnen werden vom Literaturkanon ausgeschlossen oder als Ausnahmeerscheinungen behandelt. Nun müsste es doch aber in Ihrem Interesse und vor allem in Ihrer Verantwortung liegen, dies zu ändern. Ausreichend relevante Autorinnen gibt es ja in Österreich, wie die Veröffentlichung von 2020 zeigt. In der Begründung für die Auswahl von “Der Vorleser” als das diesjährige Buch erfahren wir, das Buch „Der Vorleser“ sei für „Eine STADT. Ein BUCH.“ ein Glücksfall, gehe es darin doch um die Bedeutung des Lesens als wichtigste Kulturtechnik. “Wir wollen im Rahmen der Aktion auch auf die leider noch immer hohen Lesedefizite innerhalb der österreichischen Bevölkerung sowie die bestehenden Angebote für Betroffene – etwa bei den Wiener Volkshochschulen – hinweisen.” Ein ehrbares Ziel. Leider weisen Sie mit der Auswahl auch auf die weiterhin bestehenden Defizite in Bezug auf die Förderung der Literaturproduktion und -rezeption von Frauen hin. Wir, die IG feministische Autorinnen ≠igfem, fordern eine feministische Agenda in Literatur, Politik und Öffentlichkeit! Wir kämpfen für die Gleichberechtigung von Frauen und erwarten diesbezüglich Ihre ihre Unterstützung.

Mit freundlichen Grüßen
Gerlinde Hacker
Dorothea Pointner
≠igfem