Sehr geehrte Frau Mag.a Staatssekretärin Mayer
Die ≠igfem kämpft seit mehr als vier Jahren professionell für finanzielle und repräsentative Geschlechtergerechtigkeit im Literaturbetrieb. Wir bieten bereits jetzt, mit wenigen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, ein umfangreiches Programm. Unsere vielfältigen Veranstaltungen und Initiativen umfassen Schreibgruppen mit 120 Terminen im Jahr, eine Theoriegruppe zur feministischen Sprach- und Literaturwissenschaft, Lesekreise zu feministischen Büchern, unterschiedlichste Vernetzungs- und Kooperationsgruppen, zwei EU-Projekte (das jüngste beinhaltet unter anderem Fördermittel für eine unabhängige Studie zu Arbeitsbedingungen und der generellen Lage von Autorinnen), Lesungen feministischer Autorinnen, diverse Workshops, Ausschreibungen, mehrere Publikationen, eine aktualisierte feministische Leseliste für SchülerInnen, ein Projekt zur Erforschung neuer digitaler Techniken und Entwicklungen und ihre Nutzung für und Auswirkungen auf den Literaturbetrieb, das MeToo-Monitoring zur Dokumentation von sexistischen Erfahrungen und Übergriffen im Literaturbetrieb, aktive Pressearbeit für gesellschaftliche Wahrnehmung zur Ungleichberechtigung sowie Schulungen und Austauschmöglichkeiten für Expertinnen im Literaturbetrieb. All diese Maßnahmen und Projekte zielen darauf ab, mehr Gleichberechtigung im Literaturbetrieb zu erzielen. Doch um noch mehr bewirken zu können – und vor allem die laufend geleistete Arbeit endlich fair zu entlohnen – benötigen wir dringend zusätzliche finanzielle Ressourcen. Trotz des generellen Problems fehlender Daten zur Benachteiligung von Frauen im Literaturbetrieb, konnten wir aus dem Rechnungshofbericht von 2020 eine erschreckende Erkenntnis ziehen: Der unbereinigte Gender Wage Gap im Bereich “Kreative, künstlerische und unterhaltende Tätigkeiten” liegt mit 49,6% sogar noch deutlich über dem Gesamtdurchschnitt von 36,4%. Diese Zahlen zeigen einmal mehr die dringende Notwendigkeit für monetäre und inhaltliche Förderung von Frauen, insbesondere in der Literatur. Eine feministische Schwerpunktsetzung in der Budgetverteilung ist essentiell, um die Benachteiligungen auszuhebeln und für Gleichberechtigung zu sorgen. Der in naher Zukunft anstehende Gender Report des BMKÖS ist nur ein weiteres Beispiel des schwerfälligen Versuchs, der Lage Herr (vielmehr Frau) zu werden. Obwohl wir wertschätzen, dass wir auf Einladung des Bundesministeriums mit unserer Expertise in die Entwicklung der Fragebögen durch OGM research & communication GmbH eingebunden wurden und Feedback zum Testfragebogen geben durften, der die Grundlage der “große[n] Befragung der Kunst- und Kulturinstitutionen in ganz Österreich” werden soll, mussten wir feststellen, dass die Fragestellungen an den Herausforderungen und Hindernissen vorbeigingen, mit denen Frauen in der Kunst- und Literaturszene konfrontiert sind. Mit den gestellten Fragen können die Lebensrealitäten der Künstlerinnen und Autorinnen nicht abgebildet werden, es werden schlicht die falschen Fragen gestellt, um neue Antworten zu erhalten: Auf unbezahlte und unterbezahlte Arbeit von Frauen im Kulturbereich wurde überhaupt nicht eingegangen. Strukturen im Kunst- und Kulturbetrieb, die Arbeitszeiten außerhalb der klassischen Bürozeiten vorgeben, erfordern selbstverständlich auch andere Betreuungsmöglichkeiten. Themen wie Diskriminierungsprävention und speziell auf Frauen zugeschnittene Bildungsangebote wurden nicht angeschnitten. Es braucht für repräsentative Ergebnisse zu diesen Themen schlicht einen neuen Zugang zu den Fragestellungen. Unser Feedback wurde leider nur zur Kenntnis genommen und unseres Wissens nicht in den Fragebogen einbezogen. Wir dürfen in Anbetracht Ihrer Position davon ausgehen, dass Sie sich der nach wie vor herrschenden Ungleichheit bewusst und an einer Gleichberechtigung zwischen Künstlerinnen und Künstlern interessiert sind. Dem gewaltigen strukturellen Gefälle zwischen un- oder unterbezahlt arbeitenden, selbstorganisierten Künstlerinnenverbänden, wie unserem, und den zahlreichen und üppig geförderten Institutionen unter (überwiegend) männlicher Leitung, können Sie, sehr geehrte Frau Staatssekretärin, entgegenwirken. Es ist an der Zeit, dass Autorinnen die gebührende Beachtung und Wertschätzung erfahren, die für ihre männlichen Kollegen selbstverständlich sind. Warum werden Künstlerinnen und Autorinnen nicht entsprechend gefördert? Wieso erhält die IG feministische Autorinnen im Vergleich zu alteingesessenen männlich geleiteten Institutionen um so viel weniger Förderungen? Weshalb erhalten Autorinnen und Künstlerinnen in Österreich nicht mehr Geltung und Würdigung? In inzwischen veralteten (2008 und 2012) Studien war die Benachteiligung von Literatinnen und Künstlerinnen bereits abzusehen. Bis heute wurde noch viel zu wenig getan, um strukturelle Förderungen von Literatinnen und Künstlerinnen zu finanzieren. Umso bitterer, dass nicht einmal die IG feministische Autorinnen ausreichend finanziell unterstützt wird! Um die inhaltliche Unterstützung voranzutreiben, mangelt es an dedizierten Räumen für Autorinnen und Schriftstellerinnen, die speziell für Vernetzung, Austausch, Diskussion und kreative Arbeit genutzt werden können. Zu diesem Zweck regen wir die Errichtung eines feministischen Literaturmuseums an, in dem die unzähligen fantastischen österreichischen (Bachmann! Jelinek! uvm.) und internationalen Autorinnen mit Ausstellungen und Veranstaltungen aus feministischem Blickwinkel gewürdigt werden (anders als herkömmliche Ausstellungen, in denen die männliche Perspektive der Ausstellungsmacher klar zutage tritt). In diesem Museum könnte auch die IG feministische Autorinnen mit einem Büro verankert sein und mit ausreichender Förderung ein noch umfangreicheres Programm sowie diverse Forschungsprojekte umsetzen. Darüber hinaus mangelt es an dezidierten Auftrittsmöglichkeiten, auch diese könnten in einem solchen Zentrum der feministischen Literatur mit einem Veranstaltungssaal mit Bühne geboten werden. Über diese Institution könnte dann auch eine umfassende Förderung von Rezensionen und Rezeption der Werke feministischer Autorinnen abgewickelt werden, um die Sichtbarkeit der ja in großer Vielfalt vorhandenen Literaturproduktion von Frauen zu erhöhen. Ein solches Zentrum könnte Österreich an die Spitze feministischer Literaturinitiativen stellen. Wir haben in Österreich unter Ihrer Leitung die einmalige Chance im Bereich der feministischen Literaturförderung eine Pionierinnenrolle einzunehmen und uns international im Kampf um Gleichstellung zu positionieren. Wir appellieren an Ihr Engagement für Gleichberechtigung und eine zukunftsweisende und nachhaltige Kulturpolitik: Lassen Sie diese Gelegenheit nicht verstreichen! Erkennen Sie die vorhandenen Ungerechtigkeiten an und wirken Sie ihnen entschieden entgegen. Wir alle werden mit einer vielfältigeren und reichhaltigeren Literaturszene belohnt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Gerlinde Hacker, Dorothea Pointner