Co-Writing

Das ≠igfem Co-Writing-Projekt bringt Autorinnen aus unterschiedlichen Disziplinen und Schreibtraditionen zusammen, um gemeinsam neue literarische Formen zu entwickeln. Im Zentrum steht das kollektive Schreiben als feministische Praxis – ein Raum für Austausch, gegenseitige Inspiration und solidarische Autorinnenschaft. Durch gemeinsames Arbeiten an Texten, Ideen und Performances entsteht ein Netzwerk, das Kooperation über Konkurrenz stellt und die Sichtbarkeit von Autorinnen stärkt.

Bei Interesse: support@igfem.at

Co-Writing: 17.11.2025

gerlinde hacker

wir schnallen unseren gürtel enger
der uns schlug
schaufeln von unten nach oben
bis ein kopf  rollt
und weiter zur patriachats routine
freies leben wird domestiziert
gekürzt, ausgehungert
in die teilzeitarmut extrahiert
die wut beult sich nach rechts aus
kEinzelfälle fallen vom gabentisch
der kompromiss hat uns klein geredet
wie lange noch

 

Eva Surma

Lohnverhandlungen in der Sozialwirtschaft.
Nach dem Lehrstück WKO fragen sich alle:
Wie lange noch?
Nur Sozialarbeiter:innen kann man
bei einer durchschnittlichen Inflation von 3%
ein Lohnplus von 1,25% anbieten.
Das Patriarchat ist kein Naturgesetz,
postuliert Gertraud Klemm im Phallozän.
Scheinbar doch! Wo bleibt der Aufschrei
der Frauen, der Teilzeitbeschäftigten,
der Kinder- und AltenGratisversorgenden?
Der Krug geht solange zum Brunnen,
bis die scheinheilige Weihnachtszeit
alles mit jungfräulicher Geburt zupunscht.
O du unglückselige Sozialarbeit.

 

 

Co-Writing: Novemberfrost

Novemberfrost.

Das Zittern beginnt.
Bald schon werden Arbeitslose nicht mehr geringfügig zuverdienen dürfen.
Frauen sind dieser Regierung nichts wert.
500 Euro monatlich mehr in der Tasche?
Wem soll das etwas nutzen?

Die sozialdemokratische Sozialministerin hat am Tisch des Patriarchats Platz genommen.
Mit der Serviette vor dem Bauch lässt sich so manche Reform gut aussitzen.
Frauenstreik, Altersarmut, Gender Pay Gap, …
Unappetitliche Worte dieser Sorte bitte sofort vom Tisch!

Weg mit feministischen Anliegen! Die verderben uns nur das Gansl-Essen.
Ungetrübte Vorfreude auf Weihnachten. Das hat Tradition.

Eva Surma

feministinnen schreien seit anbeginn. taub sind macht-männer-ohren. taub sind frauenohren, die in machtpositionen aufgestiegen und endlich den niederungen der care-, teil-, un- und unterbezahlten arbeit entschwebt sind. keine politikerin, keine redakteurin, keine abteilungsleiterin, die nicht nach platznahme am patriarchen tisch im vorauseilenden gehorsam den kampf für frauen abstreift wie eine zu klein gewordene haut und eifrig an nebenschauplätzen herumstolziert.

gender pay gap? altersarmut? elendspensionen? da kostet doch so ein kleidungsverbot viel weniger – eigentlich gar nichts. bringt auflage und verwirrung in die diskussion. bezahlte care-arbeit? da reden wir doch lieber von wirtschaftswachstum für kleine buben, damit sie nicht wieder hinter gittern kommen bei so viel glitter. budgetdefizit? kommt gerade richtig, um tatsächliche frauenanliegen zum schweigen zu bringen. und wer glänzte durch abwesenheit beim frauenstreik? alle frauenpolitikerinnen. zurecht – sie sollten frauenanliegen vertreten und nicht aus der presse unsinn herausschreien. allein das wort feministin ist ein schrei gegen patriarchale, neoliberale zustände!

gerlinde hacker

Co-Writing: Es gibt keine Frauen mehr

Es gibt keine Frauen mehr.

Sie wurden abgeschafft. 2025 in Wort, in Sprache, in Gedanken und Gesetzen. Das zweithöchste Amt im Staat hart befohlen. Frauen existieren ab sofort nicht mehr.
Zuvor waren sie nur Randnotizen im System. In der Medizin ist der Mann das Mass aller Dinge. In der Pensionsreform gilt die Männerlebenswelt als Grundlage für alle Entscheidungen. Care-Arbeit und alles, was mit Kindern, Küche, Monatsblutung zu tun hat, ist Frauenangelegenheit – und Frauenangelegenheiten sind gefälligst zu ignorieren. Die schlechtestbezahlte Branche im konservativ-katholischen Österreich? Künstlerinnen, Genies und Cool sind nur Männer. Alles Geld bitte in die Männerabteilung, in die Werbetrommel für was-weiß-ich-alles, was der Mann braucht, was er sein muss, was er ist. Je mehr Geld fließt, umso mehr Männer. Die Zielrichtung ist: Nehmt den Frauen Recht, Geld, Aufenthaltsbewilligung und erklärt ihr Zuhause für Schusswaffenzonen. Kinder, vulgo Mädchen, dürfen von Gesetzes wegen durch Jungmänner benutzt und gedemütigt werden. Kein Problem, kein Richter. Richterinnen sind jetzt auch verboten.
In der Sprache soll sich wieder zeigen, wo die Macht hingeht – in die patriarchale, neoliberale Vorhölle.

Es gibt keine Frauen mehr.

Und keine Gegenwehr.

Wir schenken uns halt gerne her.

Waren wir überhaupt jemals wer?

In Österreich schafft man das Gendern ab.

Wozu sie erwähnen,

die namenlosen Mütter von Söhnen?

Die wertlosen Töchter von denen

entehren wir – und all ihr Sehnen.

Wir schaufeln unserer eigenen Zukunft das Grab.

Das Neue gibt es schon. Ich sehe es nur nicht. Nein. Wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich das, was mich das Patriarchat zu sehen gelehrt hat. Schluss damit!

Gerlinde Hacker
Eva Surma