Kurzbiografien der Expertinnen

Sandra Folie ist promovierte Literaturwissenschaftlerin und Mitarbeiterin im Projekt „Schwarze Narrative transkultureller Aneignung“ am Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung in Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte im Bereich afroeuropäische Literaturen und Intersektionalität sind eng mit Fragen der Kanonisierung verbunden: Wer wird in welchem Kontext (wie) gelesen und warum (nicht)?

“Durch Leerstellen bei Texten von Frauen, BIPoC und migrantisierten Autor*innen wird Lesenden sehr viel vorenthalten: an Lebensrealitäten, Themen und Perspektiven, aber auch an unterschiedlichen stilistischen Registern und Darstellungsverfahren. Es wird ein schiefer und restriktiver Eindruck davon erzeugt, was gute, kanonische, wertvolle Literatur (nicht) ist. Das Projekt feministische Leseliste setzt hier an, indem bestehende Kanones an österreichischen Schulen kritisch hinterfragt und Vorschläge zu ihrer Verbreiterung gesammelt werden.”

 

Christa Gürtler, geb. 1956, lebt als Literaturwissenschaftlerin, Literaturkritikerin und Literaturvermittlerin in Salzburg, Forschungsschwerpunkt: Österreichische Literatur, Gender Studies, Literatur von Autorinnen u.a. Ingeborg Bachmann, Elfriede Jelinek; zuletzt Mithgin. der fünfbändigen Werkausgabe von Elfriede Gerstl (Droschl Verlag  2012–2017), mit Uta Degner Hgin. von „Elfriede Jelinek: Provokationen der Kunst“ (De Gruyter 2021) und „Gespenstischer Realismus. Texte von und zu Kathrin Röggla“(Sonderzahl 2021), mit Liliane Studer Hgin. des Bandes „Gesammelte Erzählungen“ der Marlen Haushofer Werkausgabe (Bd.6, Claassen 2023).

“In den literarischen Kanon und damit in den Schulunterricht haben es bis heute nur wenige Ausnahmeautorinnen geschafft.  Ich habe mich vor Jahrzehnten an der Universität für eine Leseliste mit zahlreichen Texten von Schriftstellerinnen engagiert. In den Schulen verliert die Literatur immer mehr an Stellenwert, umso wichtiger finde ich Leselisten, die aufmerksam machen auf die vielen weiblichen Stimmen der Literatur in Vergangenheit und Gegenwart.”

 

Beate Hausbichler, geboren 1978 in Reith im Alpbachtal (Tirol), lebt in Wien. Sie hat Philosophie an der Universität Wien studiert und ist seit 2008 Redakteurin bei der österreichischen Tageszeitung DER STANDARD, seit 2014 leitet sie deren frauenpolitisches Ressort dieStandard. 2021 erschien von ihr „Der verkaufte Feminismus. Wie aus einer politischen Bewegung ein profitables Labes wurde“ (Residenz Verlag) und 2022 gab sie gemeinsam mit Noura Maan den Sammelband „Geradegerückt. Vorverurteilt, skandalisiert, verleumdet: Wie die Biografien prominenter Frauen verzerrt werden“ (Kremayr & Scheriau) heraus.

“Erzählungen, die wir sehr jung hören oder lesen, hinterlassen tiefe Spuren in unserem Bewusstsein. Durch eintönige Prinzessinnen- Liebes-, Familien-, Freundschafts- oder Abendeutergeschichten werden Kinder und junge Erwachsene in ihren Möglichkeiten beschnitten und Gefühle ihrem Ausdruck beraubt. Deshalb ist es so wichtig, literarisch mit Kindern früh den Rahmen zu sprengen, um Vielfalt sicht- und spürbar zu machen. Damit sie sie später als gesellschaftspolitische Selbstverständlichkeit verteidigen.”

 

Birge Krondorfer, Mag. a Dr. in, Politische Philosophin und feministisch Tätige. Lehrbeauftragte inter/nationaler Universitäten seit 1990 in den Bereichen Philosophie, Gender -, Kultur-, Politik- und Bildungswissenschaften. Erwachsenenbildnerin, Gruppentrainerin, Moderatorin und zertifiziert in Supervision, Mediation, interkulturellem Training. Inter/nationale Vorträge, Seminare, Publikationen (seit 1986), Herausgaben, Redaktionen in kritischer Perspektive zu Theorien und Praxen der Geschlechterverhältnisse. Konzeption und Organisation diverser Symposien, Konferenzen, Tagungen, Demonstrationen. Mitgründerin (1991) der selbstorganisierten Bildungsstätte Frauenhetz  – Feministische Bildung, Kultur und Politik.

Zudem u.a. Mitgründung der Plattform 20000frauen (2010), dem Verband feministischer Wissenschafter_innen (2000), sowie von IFEB – Initiative Feministische Erwachsenenbildung (2016). Käthe-Leichter-Preis (2009), Goldenes Ehrenzeichen des Landes Wien (2022).

 

Tanja Obex, PhD ist Erziehungswissenschaftlerin und als Universitätsassistentin am Fachbereich Bildungswissenschaften der Musik­pädagogik an der mdw (Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien) beschäftigt. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten zählen Pädagogisches Ethos, Professionalität von Lehrer*innen, Wis­sens- und Wissenschaftsforschung; Bildung und Dekolonialität; Bildung für nachhaltige Ent­wicklung.

“Mich begeistert das Projekt – die Bereitstellung einer feministischen Leseliste für Lehrpersonen und das Lesen der Werke mit den Schüler:innen lässt Frauen als Literaturschaffende sichtbarer werden und ermöglicht es Lesenden, andere Perspektive einzunehmen. Beides halte ich für notwendig, wenn der Imperativ der Gleichstellung von Männern und Frauen nicht nur eine Hohlphrase bleiben soll.”

 

Julia Pühringer ist Journalistin und Filmkritikerin, denkt, schreibt, fragt gern. Sie schreibt u.a. für tele, Falter, den Standard und die an.schläge. Egal ob im Film, in der Literatur oder anderswo interessiert sie sich brennend für die Frage der Repräsentation der Kunst von Frauen bzw. ihrer Rezeption und Kanonisierung.

Ich würde als Statement gerne die Regisseurin Jutta Brückner zitieren: „Eine Gesellschaft, die kein Interesse hat an den Geschichten, die ihre Frauen zu erzählen haben, verarmt, und ihr Bild von sich selbst ist verzerrt“.

 

Tanja Raich, 1986 in Meran (Italien) geboren, lebt als Lektorin und Autorin in Wien. Tätigkeit als Jurorin, u.a. beim Open Mike, Franz Tumler Preis und Literar Mechana. 2015 initiierte sie eine neue Literaturreihe bei Kremayr & Scheriau mit Fokus auf deutschsprachige Debüts, wo sie bis 2020 als Programmleiterin tätig war. Derzeit leitet sie das Literatur- und Kinderbuchprogramm beim Leykam Verlag. Ihr Debütroman „Jesolo“ (Blessing 2019) wurde für den Österreichischen Buchpreis Debüt sowie für den Alpha Literaturpreis nominiert. 2022 erschienen die von ihr herausgegebene Anthologie „Das Paradies ist weiblich“ (Kein & Aber 2022) und ihr zweiter Roman „Schwerer als das Licht“ (Blessing 2022). Gerade eben ist eine neue Anthologie mit dem Titel „Frei sein“ bei Kein & Aber erschienen. tanjaraich.at

„Ich bin immer wieder erstaunt, wie hartnäckig sich die immerselben Klassiker im Schulkanon halten – Goethe, Fontane, Mann, etc. – obwohl schon seit Jahren gefordert wird, mehr Autor*innen zu lesen. Der Schulkanon geht meiner Meinung nach komplett an den Interessen der Schüler*innen vorbei. Umso mehr freue ich mich jetzt, Teil einer Arbeitsgruppe zu sein und einen neuen feministischen Kanon zu erarbeiten.“

 

Claudia Sackl, MA MA, ist wissenschaftliche Assistentin am ISEK – Populäre Kulturen an der Universität Zürich und Lehrbeauftragte am Institut für Germanistik der Universität Wien. Von 2017 bis 2023 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der STUBE– Studien- und

Beratungsstelle für Kinder- und Jugendliteratur tätig, von 2019 bis 2023 leitete sie die Literarischen Kurse und gab dort den «Fernkurs für Literatur» heraus. Ihre Forschungsschwerpunkte sind multimodale und transmediale Erzählformen (insbesondere Bilderbuch und Spoken-Word) sowie Postcolonial Studies, Critical Race Theory und deren

Intersektionen mit Gender Studies, Queer Theory und Ecocriticism. In ihrem Promotionsprojekt forscht sie zu zeitgenössischen deutsch- und englischsprachigen afrodiasporischen Literaturen.