Mieko Kawakami „Brüste und Eier“
Wenn man wissen will, wie arm jemand war, fragt man ihn am besten, wie viele Fenster die Wohnung hatte, in der er aufgewachsen ist.
Im Gegensatz zur letzten Sitzung unseres feministischen Lesekreises, bei der mit Annie Ernaux‘ „Das Ereignis“ ein Roman über die Geschichte einer Abtreibung im Vordergrund stand, ging es heute mit „Brüste und Eier“ von Mieko Kawakami um die Frage, ob auch Kinderwunsch ein feministisches Thema ist. Im Zentrum der Diskussion: die Reduktion der Frau auf ihre Funktion als Gebärerin oder Sexualobjekt, das Ausbrechen der Protagonistin aus den sexistischen Strukturen der japanischen Gesellschaft durch die Weigerung, dem Narrativ des klassischen Familienlebens zu folgen und wieso in dem Wort shocho (erste Blutung) Anfang, Ebbe und Flut, gute Gelegenheit und Kundengefälligkeit als Konnotationen mitschwingen. Einig waren wir uns nicht zuletzt darüber, dass wir alle durch das gemeinsame Sprechen über das Buch neue Perspektiven darauf gewonnen haben und die Lektüre somit eine nachhaltigere und eindrücklichere geworden ist.