Feministischer Lesekreis 2023
05.12.2023: Drei Wege zum See, Ingeborg Bachmann, aus: Simultan, Erzählungen
07.11.2023: Malina, Ingeborg Bachmann – Vertiefung
10.10.2023: Malina, Ingeborg Bachmann
05.09.2023: 1000 Serpentinen Angst, Olivia Wenzel, Teil 3
05.07.2023: 1000 Serpentinen Angst, Olivia Wenzel, Teil 2
07.06.2023: 1000 Serpentinen Angst, Olivia Wenzel, Teil 1
»Ich habe mehr Privilegien, als es je eine Person in meiner Familie hatte. Und trotzdem bin ich am Arsch. Ich werde von mehr Leuten gehasst, als meine Großmutter es sich vorstellen kann. Am Tag der Bundestagswahl versuche ich ihr mit dieser Behauptung 20 Minuten lang auszureden, eine rechte Partei zu wählen. «Eine junge Frau besucht ein Theaterstück über die Wende und ist die einzige schwarze Zuschauerin im Publikum. Mit ihrem Freund sitzt sie an einem Badesee in Brandenburg und sieht vier Neonazis kommen. In New York erlebt sie den Wahlsieg Trumps in einem fremden Hotelzimmer. Wütend und leidenschaftlich schaut sie auf unsere sich rasant verändernde Zeit und erzählt dabei auch die Geschichte ihrer Familie: von ihrer Mutter, die Punkerin in der DDR war und nie die Freiheit hatte, von der sie geträumt hat. Von ihrer Großmutter, deren linientreues Leben ihr Wohlstand und Sicherheit brachte. Und von ihrem Zwillingsbruder, der mit siebzehn ums Leben kam. Herzergreifend, vielstimmig und mit Humor schreibt Olivia Wenzel über Herkunft und Verlust, über Lebensfreude und Einsamkeit und über die Rollen, die von der Gesellschaft einem zugewiesen werden.
03.05.2023: Einzeller, Gertraud Klemm
Wem gehört der Feminismus? Auf der Suche nach Frauensolidarität seziert Gertraud Klemm in ihrem neuen Roman das, was vom Feminismus übriggeblieben ist. Solange wir uns wie Einzeller gebärden, wird das nie etwas mit der Geschlechtergerechtigkeit. In Simone Hebenstreits neuer WG versammeln sich fünf Frauen aus verschiedenen Generationen, mit verschiedenen Ansichten. Was sie eint, ist ihr Widerstand gegen den drohenden Rechtsruck. Wahlen stehen an, und diesmal werden Herdprämien, Müttergeld und Abtreibungsverbote versprochen. In einem Reality- TV-Format diskutieren die Frauen öffentlich ihre Positionen, und bald zeigen sich die Bruchlinien zwischen ihnen und ihren feministischen Vorstellungen von Religion, Gender-Identität und Sexarbeit: Während sie einander vor laufender Kamera zerfleischen, nimmt die politische Wende ihren Lauf.
05.04.2023: Ulrike Maria Stuart, Elfriede Jelinek
08.03.2023: Grüne Tomaten, Fannie Flagg
Dies ist die Geschichte von Ruth Jamison und Idgie Threadgoode und ihrem Café in Whistle Stop, Alabama. Hier braucht niemand zu bezahlen, die Schwarzen werden trotz des KuKluxKlans bedient, und wenn es sein muß, halten die Menschen zusammen wie Pech und Schwefel.
Ninnie Threadgoode erzählt der dicken, unscheinbaren Evelyn ihre Erinnerungen an diese wunderbare Zeit. Allmählich entwickelt sich eine Freundschaft zwischen den beiden Frauen, die Evelyn neuen Lebensmut gibt. Was Ninnie sie lehrt ist, daß Wärme und Humor reicher machen als alles Geld der Welt.
06.02.2023: 153 Formen des Nichtseins, Slata Roschal
10.01.2023: Brüste und Eier, Mieko Kawakami
„Wenn man wissen will, wie arm jemand war, fragt man ihn am besten, wie viele Fenster die Wohnung hatte, in der er aufgewachsen ist.“
Im Gegensatz zur letzten Sitzung unseres feministischen Lesekreises, bei der mit Annie Ernaux‘ „Das Ereignis“ ein Roman über die Geschichte einer Abtreibung im Vordergrund stand, ging es heute mit „Brüste und Eier“ von Mieko Kawakami um die Frage, ob auch Kinderwunsch ein feministisches Thema ist. Im Zentrum der Diskussion: die Reduktion der Frau auf ihre Funktion als Gebärerin oder Sexualobjekt, das Ausbrechen der Protagonistin aus den sexistischen Strukturen der japanischen Gesellschaft durch die Weigerung, dem Narrativ des klassischen Familienlebens zu folgen und wieso in dem Wort shocho (erste Blutung) Anfang, Ebbe und Flut, gute Gelegenheit und Kundengefälligkeit als Konnotationen mitschwingen. Einig waren wir uns nicht zuletzt darüber, dass wir alle durch das gemeinsame Sprechen über das Buch neue Perspektiven darauf gewonnen haben und die Lektüre somit eine nachhaltigere und eindrücklichere geworden ist.