Offener Brief an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien

Sehr geehrte Frau Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab, anlässlich des Equal Pension Day 2023 am 4. August müssen wir einmal mehr auf die eklatante Benachteiligung von Frauen in unserer Gesellschaft hinweisen. An diesem Tag haben Männer im laufenden Jahr bereits so viel Pension erhalten, wie Frauen für das ganze Jahr zugestanden wird. Im Vergleich zu 2022 bedeutet der Equal Pension Day 2023 eine Verbesserung um einen (!) Tag. In diesem Tempo werden bei gleichbleibendem Pensionsalter erst jene Frauen die gleiche Pensionshöhe erhalten, die in rund 80 Jahren geboren werden! Der folgende Hinweis stammt aus dem Informationsblatt des Bundesministeriums zum Equal Pension Day: “Es [das Gender Pension Gap [sic!]] ist kein Maß für Wohlstand (bzw. Armut) oder Diskriminierung, sondern Gradmesser von persönlicher ökonomischer Autonomie durch die Pensionsleistung”. Unter den herrschenden Bedingungen ist persönliche ökonomische Autonomie für Frauen unmöglich zu erreichen. Und wirtschaftliche Abhängigkeiten resultieren in Diskriminierung! Die Durchrechnungszeiträume für die Pension sind an einem Männer-Erwerbsleben ausgerichtet. Frauen arbeiten aufgrund fehlender Betreuungsmöglichkeiten und dem noch immer bestehenden Gender Pay Gap viel häufiger in Teilzeit, womit sie ohnehin schon die Mehrheit der unbezahlten Care-Arbeit leisten, was einen bestehenden, zutiefst diskriminierenden Rollenzwang immer noch mehr verstärkt. Hinzu kommt, dass Berufe, in denen mehr Frauen tätig sind, auch schlechter bezahlt sind. Und dann sind Frauen auch noch in der Pension doppelt bestraft, da sie um etwa die Hälfte (!) weniger als Männer erhalten. In der Literaturbranche sieht es besonders ernst aus: Laut dem Rechnungshofbericht 2020 liegt der unbereinigte Gender Wage Gap im Bereich “Kreative, künstlerische und unterhaltende Tätigkeiten” mit 49,6% sogar noch deutlich über dem Gesamtdurchschnitt von 36,4%. Die Maßnahmen, die von der Bundesregierung zur Verbesserung der Situation gesetzt wurden, beinhalten unter anderem die “Erhöhung des Pensionsalters für Frauen” – Frauen müssen also länger arbeiten, um nachher noch immer weniger zu bekommen. “Verbesserung bei freiwilliger Versicherung (insbesondere Pflege)” – Frauen, die also ausreichend Geld haben, um mehr einzuzahlen, bekommen nachher zwar mehr als andere, aber immer noch weniger als Männer. “Mit der Einführung der Pensionsboni bei 30 bzw. 40 Jahren von Beitragszeiten aufgrund einer Erwerbsarbeit wurde insbesondere langzeitversicherten Frauen und Männern in Niedriglohnsektoren bzw. bei Teilzeitarbeit eine höhere Pension” [sic! Anm.: Hier bricht der Satz ab] – Diese Maßnahme geht an der Realität vorbei, nämlich dass die sogenannten “Niedriglohnsektoren” eben jene sind, in denen hauptsächlich Frauen arbeiten, also solche, in denen z.B. für Pflege Angehöriger oder behinderter Kinder (siehe Punkt “freiwillige Versicherung”) die Anstellungszeiten häufig unter- oder abgebrochen werden, also eine Langzeitversicherung gar nicht zustande kommt. Es profitieren einmal mehr die Männer, die lange Zeit im “Niedriglohnsektor” tätig sind, und die Frauen gehen leer aus. Wir können uns die maßlose Ungerechtigkeit der Situation nur so erklären, dass die Auswirkungen der Maßnahmen politisch gewollt sind. Es ist völlig unbegreiflich, warum die Regierung und die Sozialpartner der massiven Verschlechterung der Situation für Frauen zugestimmt haben. Es war schließlich absehbar, dass der Großteil der Frauen in ihrer Pension unter die Armutsgrenze fällt. Was in der gesamten Pensionsdebatte fehlt, ist ein feministisches Narrativ, das die Lebensrealitäten der Hälfte der Bevölkerung einkalkuliert. Es mangelt uns im 21. Jahrhundert doch tatsächlich noch immer an einer feministischen Agenda in Politik und Öffentlichkeit. Dabei ist Gleichberechtigung ein Menschenrecht! Wir fordern Sie daher auf, diese untragbare Situation aufzuheben und Frauen eine gleichberechtigte, an ihre Lebenssituation angepasste Teilhabe zu ermöglichen. Wir brauchen eine Pensionsreform, die ihren Namen verdient! Und wir, die IG feministische Autorinnen, brauchen Ihre (finanzielle) Unterstützung als feministische Organisation um Gleichberechtigung zu erreichen.

Mit freundlichen Grüßen
Gerlinde Hacker
Dorothea Pointner
≠igfem IG feministische Autorinnen